2.9.2003 - Blues quer durch Europa

Der Berch ruft – zum Blues! Wie jeden ersten Samstach im September soll auch in diesem Jahr das Gelände am Lehrter Rodelberch einen Tag lang dem Live-Blues gewidmet sein. Eine musikalische Europareise mit einem Abstecher in die USA erwartet die Besucher des 38. Bluesfestivals am 2. September ab 16 Uhr im Hohnhorstpark. Der Kartenvorverkauf startet jetzt.

Nach dem ersten Fest ist vor dem zweiten. Das gilt auch für das Lehrter Bluesfestival, das wie alle anderen regelmäßigen Events wegen der Corona-Pandemie eine zweijährige Pause einlegen musste. Waren die „Bluesfreds“, wie sich Männlein und Weiblein in diesem Veranstaltungskreis selber nennen, im vergangenen Jahr nach der Zwangspause ganz heiß auf den Neustart, so hat sich diese Begeisterung bei allen Beteiligten tatsächlich übers Jahr gehalten. Sogar einem Wochenend-Seminar zur Vorbereitung und weiteren Optimierung haben sich die Organisator/innen unterzogen.

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Eins der Ergebnisse ist das Line up: Mit Mojo Hands stehen wieder einmal alte und gute Bekannte auf der Bühne am Rodelberch. Schon 2015 rockten die Dänen das Festival mit ihrer Spielfreude und der eindrucksvollen Stimme von Frontfrau Zenia Levring Madsen. Diesmal bringen sie mit Saxophon und Trompete auch noch schönes Gebläse auf die Berch-Bühne.

Ebenfalls kein Unbekannter am Lehrter Bluesberch ist Greg Copeland. Vor 16 Jahren schon verwöhnte der Sänger mit der rauchigen Soul-Stimme die Bluesfans in Lehrte. Diesmal eröffnet der Mann aus Virginia (USA) das Festival als special guest der Trainyard Blues Band aus Hamburg – einer jungen Band aus lauter alten Hasen.

Dafür, dass auch Briten immer noch Blues im Blut haben, steht Sean Webster. Der Singer/Songwriter und begnadete Gitarrist hat sich mit zahlreichen Konzerten in vielen europäischen Ländern und den USA einen soliden Ruf als einer der besten Live-Performer und Sänger der modernen Blues-Rock-Szene erarbeitet und wird sich mit seiner fantastischen Band am Rodelberch vorstellen.

Mit Jazz und Funk im Blues werden die Musiker der Latvian Blues Band zum Schluss noch einmal ordentlich aufdrehen. Die Band hat 2009 den German Blues Award gewonnen und ist schon mit vielen internationalen Stars aufgetreten.

Alte Freunde versüßen mit neuen Grooves die Pause: Die vier genialen Musiker von Pickup The Harp aus Karlsruhe schaffen wieder ihre eigene mobile Bühne – irgendwo auf dem Blues-Berch, man braucht nur dem guten Sound folgen.

Der Eintritt kostet 20 Euro im Vorverkauf und an der Abendkasse 25 Euro. Karten gibt es in Lehrte im Anderen Kino und in der Bücherstube Veenhuis, im Musikhaus in Burgdorf, im Bioladen Kiebitz in Sehnde, in Sievershausen in der Hundepension Schmidt und in Hannover bei M+M Zweiradservice. Im Internet können Karten unter www.bluesinlehrte.de geordert werden. Dort gibt’s auch weitere Informationen und Links zu den Bands.

Erstklassiger Blues für einen lässigen Sommernachmittag

3.9.2022 - Super Stimmung für Gäste, Musiker und Helfer
beim 37. Lehrter Bluesfestival

„Die Bühne steht, die Technik läuft, die Sonne scheint, das Bier ist kalt. Also nix wie hin!“ Diese Nachricht von den Tontechnikern des Bluesfestivals im Hohnhorstpark auf Social Media gibt wohl wieder, was sich viele Festival-Fans jetzt am ersten Samstach im September dachten. Denn da ist seit fast 40 Jahren Bluesfestival am Rodelberch in Lehrte – wenn nicht gerade eine Pandemie Leib und Leben bedroht. Auch diese Live-Sause unter freiem Himmel musste zwei Jahre lang aussetzen. Umso begeisterter und energiegeladener stürzten sich die Frauen und Männer vom Verein Blues in Lehrte in die Vorbereitungen, als sich herauskristallisierte, dass das Bluesfestival wohl wieder stattfinden kann.

Das Publikum war nicht minder begeistert: Über 1000 zahlende Gäste hatten sich zum Rodelberch aufgemacht, der mit seinem Abhang eine natürliche Tribüne bildet. Die große Bühne ist so ausgerichtet, dass die Fans mit ihren Picknickdecken und Klappstuhlreihen von dort aus bequem die Bands und das Geschehen auf der Bühne verfolgen können. Hunderte wollten lieber näher dran sein und fanden einen Stehplatz vor der Bühne oder aber ein Eckchen zum Sitzen an einer der zahlreichen Biertischgarnituren, von denen aus sich an den nahen Essen- und Getränkeständen bequem Nachschub heranschaffen ließ. Schließlich macht frische Luft hungrig und Hitze durstig, beides war reichlich vorhanden, und das ganz besondere Speisenangebot des Bluesfestivals gibt’s nur einmal im Jahr, diesmal stilvoll auf Porzellan und mit richtigem Besteck gereicht. Denn mit der Aufgabe von Plastik- und Pappschalen hat das Bluesfestival einen weiteren Schritt zur Nachhaltigkeit vollzogen, den alle Besucher begrüßten. „Dann schmeckt der Salat nochmal so gut“, sagte Felicitas, extra aus Buxtehude angereist. Das Rezept für den beliebten Porreesalat mit Erdnüssen ist übrigens im Programmheft zu finden.

 

Programmheft zum 37. Lehrter Bluesfestival (2,4 MB)

Richtig hungrig und vor allem durstig macht eine Bergtour. Die ist in Lehrte nur an einer Stelle möglich, und das ist der Aufstieg zum Gipfel des – übrigens bis heute höhentechnisch nicht vermessenen – Rodelberchs. Die spaßeshalber scheinbar erschöpften und nach Luft schnappenden Bergwanderer werden dort von der netten Crew der Berchkasse bestens umsorgt und bekommen auf Wunsch zur Stärkung einen kleinen Berggeist eingeschenkt – auch, wenn sie bei ihrer Ankunft nicht zu dem traditionellen „Hossa“-Ruf in der Lage sein sollten. Beinhart hat Thomas aus Hannover seine Freunde, die Festivalneulinge Andreas, Anne und Dagmar, eingenordet: „Das ist Kult! Ich hab‘ die gezwungen, hier hoch zu gehen, damit sie gleich in die richtige Stimmung kommen!“

Da das Festival bekannt ist für die Qualität der Bands und außerdem der westfälische Gitarrero Richie Arndt so etwas wie ein Wiederholungstäter im guten Sinn in Lehrte ist, brauchten er und seine genialen Mitstreiter Gregor Hilden, ebenfalls Gitarre, und Percussionist Pitti Hecht sich nicht vor gähnender Leere zu fürchten. Schon da bewegten sich rund 1000 Gäste auf dem Platz – man hätte ja sonst auch wirklich etwas ganz Feines verpasst. Die drei Musiker trafen mit ihrem schönen Schaukelblues genau die Stimmung für einen „lazy sunny arvo“, einen sonnigen Samstach Nachmittag. Mitgefangen – mitgehangen: Als die drei eine härtere Gangart anschlugen und schnellere Rhythmen über den sonnenwarmen Platz schickten, erhob sich das Publikum bereitwillig aus dem inneren Schaukelstuhl, klatschte im Takt und ließ auch schon mal die Tanzbeine zu „Black Magic Woman“ oder „Walkin‘ in Memphis“ zappeln.

Die zuckten endgültig außer Kontrolle, als eine wahre Black Magic Woman auf der Bühne vormachte, wie so ein richtiger Rock’n’Roll geht. Janice Harrington, 80 Jahre jung, zierte nicht nur im blauen Abendkleid mit Beinschlitz den Programmtitel. Live zeigte sie mit einem zackigen Twist zusammen mit Johannes aus dem Publikum, der ihr Urenkel hätte sein können, Kniearthrose und Gelenkrheuma den Stinkefinger. Die zierliche Sängerin spielte ihre Band, allesamt Spitzenmusiker, mit ihrer großartigen Bühnenpräsenz bisweilen komplett in den Hintergrund. Sie erzählte und sang so manchen deftigen Witz und sparte auch nicht mit Weisheiten aus ihrem reichen Erfahrungsschatz mit Verflossenen. „Mit Männern ist es wie mit Bussen. Wenn Du einen verpasst hast, kommt irgendwann der nächste – bestimmt“, sagte sie mit einem Augenzwinkern in Richtung ihres derzeitigen Gatten Werner Gürtler, der in der Band Posaune spielt. Aber kurz vor der Verzweiflung erhielten der sagenhafte Gitarrist Jan Hirte und die nicht minder versierten Musiker Dirk Vollbrecht, Bass, Andreas Bock, Schlagzeug, Niels von der Leyen an den Tasten und eben Posaunen-Werner doch noch mal Gelegenheit, ihr brillantes Können unter Beweis zu stellen.

Das Publikum brachte seinen Bewegungsdrang in verschiedenen Tanzformen zum Ausdruck, vom fast unmerklichen und womöglich auch unwissentlichen Wippen und Wackeln über Disco-Beat und Ausdruckstanz bis hin zu Familienringelpietz mit Anfassen, damit die Kleinsten bei ihrem fröhlichen Mitwackeln nicht sofort wieder auf dem Windelpo landeten.

Da war es doch günstig, dass die Haus- oder vielmehr Platzband Pickup The Harp den Dance Flow auch in der Umbaupause nicht abreißen ließ. Mit „You get what you deserve“ hatte Gitarrist und rauhkehliger Sänger Markus Knab die zweite Bühne, nämlich den Standplatz ihres kompakten mobilen Equipments mit Verstärker, Energie und etlichen Tasten für die flinken Finger Alexander Sesslers zu ebener Erde mitten im Publikum eröffnet. Zusammen mit Bassist Horst Andree und Schlagzeuger Jonathan Zacharias ließen sie es aus ihrem Musik-Bollerwagen ordentlich krachen. Der trockene Untergrund ließ sogar einen Anstieg oder besser, ein Anrollen am Rodelabhang zu, wo die Karlsruher im Dunklen mit ihrer Wahnsinns-Mucke und ihrer Spielfreude den Berch zum Beben brachten.

Apropos Familie: Das 37. Bluesfestival war für Bands wie für Besucher und Veranstaltende eine Art Familientreffen, denn nicht nur Richie Arndt sowie die meisten der Janice Harrington Allstar Band hatten in Lehrte schon mehrfach ihre Aufwartung gemacht. Die deutsche Ur-Bluesband Blues Company aus Osnabrück feierte seit dem ersten Bluesfestival 1984 auch immer mal wieder die runden Festival-Geburtstage mit und krönte nun die Wiederauferstehung nach Corona mit ihrem sechsten Besuch am Bluesberch. Bandleader Tosho Todorovic schwärmte von einem Gefühl des „coming home“ bei „einem der schönsten Bluesfestivals überhaupt“.

Mit der Blues Company XXL wurde der Laden richtig voll: Neben Sänger und Gitarrist Tosho, Mike Titré (Gitarre, Gesang, Bass und Mundharmonika), Arnold Ogrodnik (Bass und Tasten) sowie Florian Schaube an den Drums drängten sich auch noch die Bläsersektion mit Volker Winck am Saxophon und Trompeter Uwe Nolopp und die „Soul Sistaz“ Seda Devran und Elif Batman auf der Bluesbühne. In diesem Fall ist Masse auch Klasse: Fast ausschließlich eigene Stücke, wohl abgewogen zwischen Tempo, Spannung und relaxten, ebenso brillanten Balladen servierte die Blues Company ihrem Stammpublikum. Das feierte begeistert die Gitarren- und Bläsersoli und die fantastischen Sängerinnen, vor allem den vielschichtigen Sound in dem genialen Zusammenspiel aller, und entließ die Band erst nach zwei Zugaben.

Mit glasklarer Stimme und harten Riffs stellte sich Rozedale der Lehrter Bluesfamilie vor. Nach heißen Stücken im Blues Company-typischen Chicago-Blues mit Big Band Feeling mussten einige Besucher ein bisschen an ihren Hörgewohnheiten schrauben. Denn die französische Band Rozedale wartete mit einem konträren Blues-Verständnis auf. Die meisten begrüßten jedoch den rauhen, bisweilen punkigen Sound von Amandyn Roses (Gesang), Charlie Fabert (Gitarre), Pili Tempo (Bass) und Guillaume Pihet (Schlagzeug) und drehten zum Abschluss des Festivals nochmal richtig auf. Auch wenn sich so manche Besucher bei dem Titel „Whats going on“ von den 4 Non Blondes, mit dem Sängerin Amandyn ihr Stimmvolumen noch einmal präsentierte, dieselbe Frage stellten, das unglaubliche Können der vergleichsweise jungen Musiker fand Anerkennung: „Blues ist das nicht, aber geil!“ rief eine Besucherin fröhlich im Vorbeitanzen.

Ein Highlight im wahrsten Sinn des Wortes bildete das fantastische Feuerwerk zum Festival-Finale. Besucher, Musiker und Veranstalter wiegten sich zum Queens-Hit „We are the Champions“ in den Armen, den Kopf in den Nacken gelegt, um ja nichts von der fantastischen Himmelslichter-Komposition zu verpassen. Zur Sicherheit hatte die Feuerwehr das Gelände um den Feuerwerkplatz gründlich gewässert.
Während die Bands ihr Equipment zusammenpackten und die Helfer schon Tische und Bänke zusammenklappten, konnten die Besucher ganz beseelt nach Hause gehen. In seinem Kommentar zum Bluesfestival brachte Tosho es auf den Punkt. „Ich gestehe, auch nach vielen tausend Auftritten: es gab Samstag Momente, da habe ich – wegen der unfassbaren Reaktionen des Publikums – Gänsehaut gehabt!“

Impressionen aus 2022